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31.12.2023

Jahresinterview

Im Gespräch mit Landrat Richard Reisinger

Herr Landrat, beim Rückblick auf das Jahr kommen einem meist die schwierigen Dinge in den Sinn. Lassen Sie uns mit dem Guten und Schönen beginnen: Worüber haben Sie sich dieses Jahr besonders gefreut?

Das war die Freude an all den traditionellen Veranstaltungen, Festen, Festzügen und Jubiläen, wo sich Menschen trotz aller vorherrschender Krisen unbeschwert und gesellig treffen, Brauchtum pflegen, gleichzeitig dafür aber auch viel ehrenamtliches Engagement einbringen. Und da versuche ich immer etwas hinter die Kulissen zu blicken und all jene wahrzunehmen, die im Verborgenen fleißig und unauffällig agieren, ohne dass ihnen auf den Bühnen Ehrungen verliehen oder Lob ausgesprochen wird.

An den unzähligen Ehrenamtlern habe ich ohnehin die allermeiste Freude. Ob ein Engagement in der sogenannten Blaulichtfamilie, in Musik-, Kultur- und Sportvereinen oder in Kirchen und karitativen Einrichtungen oder ein ganz individueller und stiller Einsatz für andere, sie sind es, die in unserer Gesellschaft Zusammenhalt und Menschlichkeit generieren. Das ist unbezahlbar!

Und ganz persönlich freut es mich, dass wir auch in diesem Jahr in den politischen Gremien des Kreistags wieder konstruktiv und harmonisch zusammengearbeitet haben.

Welches Ereignis ist Ihnen in besonders guter Erinnerung?

Da war ein Telefonanruf Ende Januar. Ich erhielt die Mitteilung, dass die Kirwan im Amberg-Sulzbacher Land im Bayerischen Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen würden. Das war ein von meiner Seite nicht unbedingt erwartbarer Höhepunkt.

Gut 550 Arbeitsstunden haben unsere Tourismusfachwirtin Regina Wolfohr und Kreisheimatpfleger Dieter Kohl in die Zusammenstellung der Bewerbungsunterlagen investiert, wir alle waren mit Herzblut dabei. Alle haben sich natürlich riesig gefreut, dass sich diese Arbeit gelohnt hat und die Kirwatradition im Amberg-Sulzbacher Land als einzigartig gewürdigt wurde.

Und dieser Ritterschlag für unsere Brauchtumspflege hat sich als echtes Marketingzugpferd herausgestellt. So wurde uns von Fachleuten überzeugend vermittelt, was uns vielleicht schon immer im Verborgenen bewusst war, dass die Kirwan das verbindende kulturelle Element für unseren Landkreis und seine Bewohner darstellen. Der Kirwatanzmarathon im Kulturschloss Theuern hat nebst einem Festakt Kirwabegeisterte jeglichen Alters von nah und fern in großen Scharen zusammengeführt. Die damit einhergehende Begeisterung in den sozialen Netzwerken war entsprechend groß. Einige meiner Kollegen nennen mich jetzt den „Kirwa-Landrat“.

Auf die „schwierigen Zeiten“ kommen wir gleich noch, vorher noch die Frage nach sonstigen kommunalpolitischen Höhepunkten in 2023?

Besonders erfreut war ich über den Abschluss der Generalsanierung der Walter-Höllerer-Realschule in Sulzbach-Rosenberg inklusive des Neubaus einer modernen Dreifachsporthalle, den wir feierlich begehen konnten. 33 Millionen Euro hat der Landkreis hier in die Bildung kommender Generationen investiert und eine große Herausforderung gestemmt, die sicherlich zu den herausforderndsten Maßnahmen der vergangenen Jahre im Landkreis zählt.

Als weiteren baulichen Höhepunkt möchte ich den Abschluss des zweiten Bauabschnitts unseres Kultur-Schlosses Theuern festhalten. Die Säle des ehemaligen Hammerherrenschlosses, das der Landkreis in den 1970er Jahren übernommen hat, erstrahlen nun im neuen Glanz und sind eine wahre Augenweide für heimatkundlich und architektonisch interessierte Bürgerinnen und Bürger. Sie stehen als Veranstaltungssäle mit hochmoderner Technik für Empfänge und Tagungen zur Verfügung und drängen sich heiratswilligen Paaren regelrecht als exklusive „Location“ für Hochzeitsfeiern auf. Wenn Ende 2026 mit dem dritten Bauabschnitt die Generalsanierung beendet sein wird, wird der Landkreis insgesamt 12, 8 Millionen Euro in dieses Kulturdenkmal investiert haben.

Wir erleben weltweit Krisen, die mitunter auch auf die Kommunen durchschlagen. Wie ordnen Sie diese Herausforderungen ein und welche Stimmung nehmen Sie im Landkreis wahr?

Die Menschen in unserem Landkreis spüren wie anderswo auch, dass wir an einer Zeitenwende stehen, wo wir uns von gewohnten Standards eine Zeit lang verabschieden müssen. Probleme gab es immer, aber wir nehmen wahr, dass es derzeit sehr viele Krisen sind, denen wir gleichzeitig ausgesetzt sind: nicht kontrollierbare Flüchtlingszuströme, steigende Energiekosten mit einhergehender Inflation (die sich zwar wieder abgeschwächt hat), Wohnungsmangel, hohe Lebensmittelpreise, wirtschaftliche Rezession, unterschiedliche Antworten auf den Klimawandel und die zunehmende Sorge über die Entwicklung in Israel und die Angst vor weiteren Kriegen.

Andererseits hat unser Land und auch unsere Region immer bewiesen, dass wir gerade in solchen Zeiten zusammenstehen können. Das haben wir trotz aller Unzulänglichkeiten in der Coronazeit grundsätzlich unter Beweis gestellt, dass wir solidarisch sein können, wenn es darauf ankommt. Und Wirtschaft, Handel und Dienstleistung sind bei uns mehrheitlich aus Krisen gestählt hervorgegangen. Der Landkreis wird sich auch weiterhin bemühen, günstige Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass wir diesen Krisen trotzen.

Und mit Hilfe von kompetenten und loyalen Mitarbeitern, vielen wohlwollenden politischen Mitstreitern aus allen demokratischen Parteien sowie dem immensen Engagement unzähliger Ehrenamtlicher von Schmidmühlen bis Auerbach und von Weigendorf bis Kemnath mag und wird das auch in 2024 gelingen!

Wo sehen Sie in 2024 besonderen Handlungsbedarf?

Es wird an vielen Stellen Handlungs- und Steuerungsbedarf geben. Neben all unseren administrativen Aufgaben und Serviceleistungen, notwendigen Investitionen in Straßen und Liegenschaften sowie strategischer Weichenstellungen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landkreises werden wir weiter die Herausforderung der Flüchtlingszugänge haben. Dies schlägt sich vor allem im Ausländer-, Sozial- und Jugendamt nieder, aber auch im Jobcenter und allen damit zusammenhängenden Bereichen wie Kindertagesstätten, Schulen und Gesundheitssystem.

Einen besonderen Stellenwert nimmt von jeher unser Kommunalunternehmen Krankenhäuser mit dem St. Anna Krankenhaus in Sulzbach-Rosenberg und der St. Johannes Klinik in Auerbach ein. Nach wie vor können wir unser gesamtes Leistungsspektrum ohne Einschränkung anbieten, sowohl im klinischen Akutbereich als auch in der Rehabilitation.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich allerdings für alle deutschen Krankenhäuser massiv verschlechtert und in 2024 wird diese Tendenz voraussichtlich erst noch so richtig Fahrt aufnehmen.

Auch unsere beiden Standorte in Sulzbach-Rosenberg und in Auerbach können sich der beklemmenden Gesamtsituation nicht gänzlich verschließen.

Unser Kommunalunternehmen steht gemessen an den vielerorts bereits vorhandenen massiven Auflösungserscheinungen noch sehr stabil im Markt.

Dass die finanziellen Lasten aber auch für den Landkreis als Träger in den kommenden Jahren wohl nicht kleiner werden können, ist den bundespolitischen Vorgaben und Absichten hinsichtlich der sogenannten Krankenhaustrukturreform geschuldet. Alle Krankenhäuserträger hoffen insoweit auf eine abgemilderte Version dieses Gesetzesvorhabens.

Hinzugefügt sei, dass außerhalb der Zuständigkeit des Landkreises meines Erachtens die ambulant-medizinische Versorgung der Bevölkerung nebst ausreichender Zahl an Notärzten sowie zuverlässiger Pflegestrukturen in einer älter werdenden Gesellschaft die Zukunftsthemen schlechthin sein werden.

Thema Flüchtlinge: Die Landräte mahnen vehement eine Überforderung an. Wie ist die aktuelle Situation im Landkreis Amberg-Sulzbach?

Die Flüchtlingsströme und der Ukrainekrieg waren auch in diesem Jahr die dominierenden Themen in unserem Landkreis. Die Situation hat sich im Laufe des Jahres allerorten deutlich zugespitzt und Landkreis, Verwaltung und Bevölkerung sind ans Limit gekommen.

Insgesamt sind es derzeit etwas mehr als 1.500 Flüchtlinge, die in Gemeinschaftsunterkünften der Regierung der Oberpfalz, in Übergangswohnheimen, Notunterkünften oder dezentralen Unterkünften untergebracht sind. Zu diesen „klassischen“ Flüchtlingen kommen noch in etwa 1.100 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.

Der freie Wohnungsmarkt ist so gut wie leergefegt, sodass wir weitere Standorte für Container und Modulgebäude akquirieren müssen, verständlicherweise nicht unbedingt zur Freude der betroffenen Kommunen. Und ich mache mir da nichts vor, die Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber weiteren Flüchtlingszugängen ist drastisch geschwunden. Die Folge ist, dass viele unzufriedene Menschen, die eigentlich mehrheitlich nicht radikal sind und sein wollen, ihrer Protesthaltung gegen das Establishment Ausdruck verleihen, indem sie sich Ideologien anschließen oder Parteiprogrammen öffnen, die ihnen allzu einfache Antworten darauf geben.

Welche Klimaziele verfolgt der Landkreis?

In Sachen Klima verfolgt der Landkreis seit Jahren ernsthaft und mit vielen Akteuren und Projekten über die zentrale Drehscheibe „ZEN“ (Zentrum für erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit) in Ensdorf eine differenzierte und effiziente Nachhaltigkeitsstrategie, die auf verschiedenen Ebenen Früchte trägt. Das führt im Übrigen dazu, dass nicht nur Ressourcen gespart werden, sondern auch der Grad der Selbstversorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln sowie allen angeschlossenen Wertschöpfungsketten verbessert wird. Dass wir unsere Landkreisbewohner dabei als durchaus motiviert erleben, den Klimaschutz aktiv mitzugestalten, hat uns das Projekt „Ofenführerschein“ bewiesen, zu dem unser kreativer Klimaschutzkoordinator, Martin Kopp, alle Holzheizungsbetreiber eingeladen hatte.

1300 Gutscheine für ein Online-Seminar, die der Landkreis zusammen mit dem ZEN ausgegeben hat, waren in kurzer Zeit weg. Mindestens 1300 Holzöfen in unserem Landkreis werden seither energieeffizient beheizt. Wenn man die aktuelle Forschungslage zugrunde legt, wonach es mittels richtigem Holzheizen möglich ist, die Feinstaubbelastung um 45 Prozent, den CO2-Ausstoß um bis zu 30 Prozent und die Menge organischer Schadstoffe um bis zu 67 Prozent zu reduzieren, ist das zwar ein kleiner, aber doch nicht unerheblicher Beitrag.

Worauf freuen Sie sich im neuen Jahr?

Obwohl ich selber eine sehr ökonomische Einstellung zum Tanzen habe, freue ich mich dennoch, dass der Landkreisball nach mehreren Jahren im Ausweichquartier in der Turnhalle in Kümmersbruck in unser ehrwürdiges Kultur-Schloss Theuern zurückkehren kann, wo sich unsere Faschingsvereine mit ihren atemberaubenden Showeinlagen in würdevollem Rahmen präsentieren werden. Die Premiere am 19. Januar im neu gestalteten Großen Saal des Kultur-Schlosses verspricht schon mal ein kultureller Höhepunkt zu werden.

Und im Sommer sind es all unsere unnachahmlichen kirchlichen Bergfeste, die mich in ihrer Paarung von Weihrauch, Bratwürsten und Geselligkeit wieder in den Bann ziehen werden.

Ihre Neujahrswünsche für die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises lauten?

Die fallen sehr klassisch aus: bei bester Gesundheit nicht den Verstand und die Freude am Leben verlieren, viele soziale Kontakte, menschliche Zuwendung, nie den Humor verlieren und hoffentlich bald etwas mehr Frieden auf der Welt!

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